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Über Shannon RichardsonKaum zu glauben: Shannon Richardsons Aufnahmen amerikanischer Motels stammen aus dem 21. Jahrhundert und nicht aus den Archiven eines alten Hollywoodstudios mit Set-Aufnahmen aus den 1950er Jahren. Sie zeigen die Gegenwart, auch wenn sie…HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Kaum zu glauben: Shannon Richardsons Aufnahmen amerikanischer Motels stammen aus dem 21. Jahrhundert und nicht aus den Archiven eines alten Hollywoodstudios mit Set-Aufnahmen aus den 1950er Jahren. Sie zeigen die Gegenwart, auch wenn sie die Vergangenheit repräsentieren. Der in Amarillo in Texas lebende Fotograf fertigte sie entlang der legendären Route 66 an, die von Chicago quer durch den mittleren Westen nach Santa Monica in Kalifornien führt. Oft genug schlug er sich auf unscheinbare Seitenwege, um diese Urgesteine der nächtlichen Zwischenstation zu entdecken. Als wäre die Zeit, je weiter man von der Hauptroute abkommt, stehen geblieben, so warten diese dünnwandigen Bordsteinoasen der Mobilitätskultur unter hell leuchtenden Werbebannern auf neue Kundschaft. Die ist überraschenderweise noch das eine oder andere Mal in Modellen unterwegs, die man eher in einem Film-Noir von John Huston oder Billy Wilder vermuten würde, als auf einer amerikanischen Straße der Gegenwart. Aber das ist genau nach dem Geschmack des Fotografen. Er zeigt uns, wie viel vom alten Mythos des Westens noch übrig ist abseits der modernen Reise- und Lebenswege. Dabei gebraucht er eine kompositorische Bildsprache, die nicht minder von den großen Vorbildern der amerikanischen Straßenfotografie zeugt: von Robert Adams, Lee Friedlander, Stephen Shore und William Eggleston. Harte Schwarzweiß-Kontraste, tiefeschwarze Nächte, in die sich grelle Neonlichter verbeißen – all das ist typisch auch für den Look des Film Noir, der seine tragischen Helden gern in verrauchte Motels unterbrachte. Aber Richardson betreibt keine filmische oder fotografische Nostalgie, sondern eine Spurensuche im Modus der Erinnerung. Winzige Elemente im Bild erinnern uns daran, mit welcher Zeit wir es gerade zu tun haben könnten. Hier ein Werbebanner, das freien Internetzugang verspricht, dort das Rücklicht eines in die Nacht entschwindenden Wagens, der direkt aus den 70er hervorzubrausen scheint. Die Bilder sind beides: Eine fotografische Indizienreise entlang eines berühmten Westweges und eine poetische Augenblicksaufnahme der amerikanischen Kultur der letzten 99 Jahre.
Stephan ReisnerBIOGRAFIE
Graphics Photo Annual, 2001
JPG Magazine
ShotsVITA
Arbeitet als Werbefotograf
Lebt in Amarillo, Texas, USA