Einführung
Carl Millers großformatige Arbeiten gestatten uns, einen Einblick in die fantastischen Innenwelten des künstlerischen Geistes zu werfen, in Landschaften gegossen aus fließenden Blau- und Grautönen von brillanter Klarheit. Millers Werke sind dabei nicht etwa Produkte unserer Lebenswelt sondern vielmehr die seiner eigenen Imagination. Denn was wir in seinen Motiven zu glauben sehen, ist lediglich ein Abdruck der Realität, eine Gratwanderung zwischen Fotografie und digitaler Nachbearbeitung. Miller, der im kanadischen Winnipeg aufwuchs, sollte am Art Center College of Design Pasadena das Studium der Fotografie absolvieren und sich innerhalb der Digital Art Szene schnell einen Namen machen. Diese innerhalb der Kunst noch vergleichsweise junge Gattung, reagiert dabei nicht nur auf sich unsere verändernden Lebenswelten sondern reflektiert auch kritisch den zunehmenden Einfluss neuer Medien auf unsere Gesellschaft.
So ahnen wir bereits auf den ersten Blick, dass die hyperrealistischen Brücken- und Wasserlandschaften Millers dem Künstler einen akribischen Planungsprozess abverlangen müssen. Der Großteil der Arbeit geschieht dabei tatsächlich am Rechner, wo er in einem langwierigen Verfahren Pixel für Pixel das umsetzt, was er zuvor im Geiste geschaffen hat. Zufall und Absicht, Addition und Reduzierung, das sind die Variablen, nach denen er sich richtet, wenn er die fantastischen Landschaften seines Geistes in ein greifbares Bild zu übersetzen versucht. Streng genommen bewegt er sich damit näher an der Malerei als an der Fotografie, ist ihm durch die digitale Manipulation und Nachbearbeitung doch die Möglichkeit gegeben, eine idealisierte Welt zu erschaffen ohne auf tatsächlich Existentes zurückgreifen zu müssen.
Daran knüpft auch Millers zentrale Fragestellung an: Was ist eigentlich Realität? Indem der Künstler uns etwas zeigt, das existent sein könnte, wird es dadurch für uns auch automatisch real, Teil unserer eigenen Wirklichkeit? Geschickt stellt er uns auf diese Weise ein beinahe metaphysisches Rätsel, öffnet er uns ein Fenster in eine andere Welt, zu der sonst nur der Künstler Zugang hat.
Sarah Fassio
Vita
| geboren in Winnipeg, Kanada |
| Studium der Fotografie am ACCD Pasadena, USA |
| lebt und arbeitet bei Seattle, USA |